Eine Betrachtung über das Leben auf Samana
Das Problem
begann, als ich das erste Mal 1998 mit dem Taxi über den Pass von Sanchez nach
Las Terrenas kam. Es war einfach unbeschreiblich! Solch einen atemberaubenden
Blick auf den unter mir liegenden Atlantik wie der Ausblick oben in Los Fuentes
hatte ich damals nicht erwartet. Der sich tief unten weit ausbreitende, blaue
Ozean, die schier endlosen Palmenwälder wohin man auch das Auge wand, die
eierschachtelförmigen Hügel rund um mich herum, damals all die bunten
Holzhütten und das beständige Summen von Insekten in der Luft wirkten hier
zusammen und es war um mich geschehen. Damals ahnte ich das zwar noch nicht,
aber heute ist mir bewusst, warum ich seither um nichts auf der Welt woanders
leben möchte. Es war der Beginn einer echten Lovestory. Klar kamen da später
poco a poco noch andere Faktoren hinzu, aber auch nach den vergangenen 15
Jahren ist meine Liebe zu Samana ungebrochen. Ich bin der Halbinsel restlos
verfallen!
Wenn man
hier lebt und die Augen stets offen hat, eröffnen sich einem immer wieder neue
Facetten. Samana ist für mich seither ein unbeschreibliches Füllhorn an
Eindrücken, egal aus welcher Warte man diese Gegend erlebt. Die Menschen sind
mir wichtig, der karibische Beat, der einem ständig begleitet und das stete Lächeln
in den Gesichtern der Menschen.
Kennen sie
Menschen die immer lächeln - in Mitteleuropa wäre das unvorstellbar! Dort würde
ein solcher Mensch als nicht ganz normal bezeichnet werden, denn es gibt dort
keinen Grund, dauernd zu lächeln - dort schaut man eher wie eine entsicherte
Maschinenpistole. Das man von lächelnden Menschen, die man nicht kennt, wie
selbstverständlich unterwegs auf der Straße mit einem Hola begrüßt wird, ist
hier völlig normal - in der alten Welt würde man denken, was will der Mensch
von mir?
Setzen sie
sich z.B. in München oder in Zürich in einem Straßencafé zu fremden Menschen an
den Tisch und beginnen sie mit denen aus heiterem Himmel ein Gespräch - man
wird sie zumindest misstrauisch beäugen. Hier ist das normal. Und nicht nur,
dass sie hier willkommen sein werden, man wird ihnen einen Schluck Rum oder
Bier aus der Flasche anbieten, wenn eine auf dem Tisch steht. Man wird sie
fragen, woher sie kommen und ob sie Tourist sind. Vor allem wird man von ihnen
wissen wollen, wie es ihnen hier gefällt und was sie machen. Nun drehen sie
diese Situation einfach mal um - ein schwarzer Mann quatscht sie in ihrer
Stammkneipe womöglich in einer fremden Sprache an und tut so, als wäre das die
normalste Situation der Welt......
Sie sitzen
hier in einer Cafeteria an der Strasse und sehen eine schöne Frau auf ihrer
Pasola (Motorroller) an sich vorbeifahren. Sie bekommen dabei von ihr ein
breites Lächeln geschenkt - na wie wäre das? Und nun sitzen sie in einem Cafe
an der Bahnhofstrasse in Zürich. Glauben sie, dass ihnen dort sowas auch passieren
könnte? Hier ist das normal!
Der
Dominikanische Beat ist allgegenwärtig, denn egal wo man ist - überall
scheppert oder dröhnt einem Bachata, Merenge oder Reggaeton aus allem Möglichen
entgegen. Es gibt fast keine ruhige Ecke, denn wo Dominikaner leben, da ist
Musik. Außerdem ist die Musik immer laut. Und es gibt auch keine Tages - oder
Nachtzeit, wo die Gunst der Minute nicht genutzt wird um spontan ein Tänzchen
zu wagen. Dies ist weder alters - noch geschlechtsbedingt. Man tanzt - also ist
man; so einfach ist das. Des Weiteren gibt es eigentlich keinen musikalischen
Generationen - Konflikt. Ob jung oder alt - erbarmungslos wird der angesagte
Hit auf allen Anlagen, Autoradios, Sendern und aus allen Hütten, Terazas,
Colmados, Comedores, Werkstätten, Discos zu jeder Tageszeit abgenudelt. Man
kann sich dem nicht entziehen - es sei denn, man ist taub. Nicht, das Dominikaner
auch andere Musik akzeptieren - für 10 Minuten ist das sicher kein Problem aber
spätestens dann sind wieder Anthony Santos oder Aventura an der Reihe und die
musikalische Welt ist wieder im Gleichgewicht. In Las Terrenas müssen selbst
die Toten nicht auf die Musik verzichten, denn gegenüber vom ehrwürdigen, aber
völlig verwahrlosten Friedhof befindet sich eine Diskothek.
Ein fester
Bestandteil der Dominikanischen Lebensauffassung sind die Konsumation der drei
großen B - gemeint sind die Produkte der Hersteller des dominikanischen
Lebenselixiers, ohne das fast kein Mann hier existieren könnte oder wollte. Die
drei großen Destillieren Brugal, Barcelo und Bermudez gehören zum
dominikanischen Alltag wie das Amen in der Kirche. Der Rum ist so
allgegenwärtig wie die Musik und wenn man sich fragt, warum man diese spezielle
Droge in Europa praktisch nicht zu kaufen bekommt, ist die Antwort so einfach
wie logisch. Der meiste Rum wird hier im Lande von den Einheimischen selber getrunken.
Es dürfte alles Mögliche passieren - die nationale Katastrophe jedoch wäre,
wenn es keinen Rum zu kaufen gäbe. Das würde wohl eine landesweite Krise
auslösen. Wenn der Strom tagelang ausfällt oder wenn es an der Tankstelle
keinen Sprit gibt - alles kein Problem aber kein Rum - das ist hier undenkbar!
Die
Landschaft von Samana ist intakt. Eine Mischung von anscheinendem Brachland,
die bereits genannten nicht enden wollenden Palmenwälder, die endlosen Strände,
der Gebirgsrücken, der die Halbinsel der Länge nach durchzieht, die Täler und die
zum Teil wilden Pisten, welche anscheinend im nirgendwo enden und die abgelegen
Buchten machen Samana zu dem was es noch ist, einem Paradies für Menschen, die
das ursprüngliche Leben lieben. Jemand, der aus der Großstadt kommt, würde hier
wohl keine große Erfüllung finden, denn Samana wäre für ihn unbeschreiblich
rückständig. Alles was ein normales, zivilisiertes Leben so angenehm macht ist
hier Mangelware. Dafür muss man nicht hierher kommen. Wer aber wie ich die
Wohlstandsgesellschaft mit ihren Errungenschaften satt hat, setzt auf andere
Werte.
Hier lernt
man das Leben neu und beschränkt sich freiwillig auf das Wesentliche. Wohlstandsballast
ist hier überflüssig und schnell lernt man, darauf zu verzichten. Es gibt so
viele Dinge, die hier überflüssig sind. Dies gilt für alle Bereiche des Lebens.
Dafür erlernt man eine neue Einfachheit. Man hat hier zum Beispiel von der
begehrtesten und rarsten Ware der Menschen in der Alten Welt im Überfluss -
gemeint ist die Zeit. Ein Terminkalender ist hier etwas Exotisches, für mich
heute völlig Überflüssiges. Wenn ich daran denke, wie ich früher der Sklave
meines Timesystems war, dann lächle ich heute. Wenn ich daran denke, wie
verbissen ich war, meist gestresst und wie wenig Zeit ich früher zum Leben
hatte, komme ich mir heute wie ein normaler Mensch vor. Was nützt einem alles
Geld der Welt, wenn man keine Zeit hat. Hier bestimmt der Sonnenstand mein Tun.
Es ist bei weitem nicht so, das hier alle nur faul an der Playa liegen und den
Herrgott einen guten Mann sein lassen. Auch hier arbeiten die Menschen hart,
aber sie tun es mit einem Lächeln und sie haben immer Zeit füreinander. Das
füreinander ist hier etwas vom Wichtigsten und Elementarsten. Wenn man sich die
Dominikaner ansieht, merkt man was es bedeutet. Geld ist zwar nie viel
vorhanden, aber man hat die Familie und die Freunde und darum klappt auch das
einfache Leben der meisten Menschen hier besser als das von Terminen und
Pflichten geprägte Leben in der ersten Welt. Trotz der Armut hat hier eigentlich
keiner Hunger und wenn man bei Dominikanern zu Gast ist, steht einfach ein
Stuhl mehr am Tisch. Das ist bei diesen Menschen so etwas Selbstverständliches
- darüber redet man gar nicht.
Menschlichkeit
hat hier einen anderen Stellenwert. Wenn man sich nicht absolut daneben benimmt,
hat man hier selten irgendwelche Probleme. Das Wort Toleranz ist kein Modebegriff
sondern wird täglich praktiziert. Zumindest in meinem Umfeld! Intolerant sind
leider oftmals die Ausländer. Die sind es auch, die hier schlechte Sitten
einführen und dafür verantwortlich sind, wenn sich die Gesellschaft langsam
auch hier verändert. Neid und Missgunst sind bei den einfachen Menschen eher
selten aber auch diese Dinge nehmen zu und das ist der Lauf der Dinge. Trotzdem
ist das Leben miteinander noch intakt. Mit dazu bei trägt wohl die praktizierte
Religiosität, denn die Menschen auf dem Lande haben noch ein inniges Verhältnis
zu ihrer jeweiligen Kirche. Wenn man bedenkt, das es in Las Galeras ca. 15
Gotteshäuser gibt, welche allesamt gut besucht werden, spricht das für sich.
Diese
Liebeserklärung mag für manchen zu schön klingen und es gibt natürlich auch
hier wie überall einige Schattenseiten. Ich möchte jedoch an dieser Stelle
nicht weiter darauf eingehen, denn der Grundtenor meines Lebens auf Samana ist
positiv und mit den Problemen kommt man hier irgendwie immer klar. Man muss es
einfach nur wollen. Der Beitrag bezieht sich auf mein Leben mit Dominikanern. Ich lebe auf dem Land und nicht in der Stadt –
mir ist bewusst, dass es auch hier sehr viel Kriminalität und weniger Schönes
gibt. Aber nicht hier in Arroyo de Cabo bei Las Galeras. Hier ist die Kirche
noch im Dorf.
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