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Sonntag, 24. August 2014

Mein langer Weg - Kolumne




Es ist Sonntag und wir genießen „die  Ruhe nach dem Sturm“? Eine tropische Depression (ein Babyhurrikan) hatte uns hier die letzten Tage ganz schön auf Trab gehalten und Unmengen an Regen beschert. Der Regen war überfällig, aber warum so viel auf einmal? Christobal (so heißt der Sturm mittlerweile)  zog Gott sei Dank weiter und versucht jetzt sein „Glück“ über den Bahamas!  Die Ruhe danach ist stets beruhigend und die Luft ist dafür heute herrlich rein und wunderbar kühl. Eine gute Zeit für meine schrägen Sonntagsgedanken. Ich spinne  also wieder mal so vor mich hin und du kannst online via unseren Blog daran teilhaben. Wenn dich das nicht interessiert, dann solltest du genau jetzt aufhören weiter zu lesen!

OK, worum geht´s? Ich dachte sehr lange, ich und mein so tolles Leben seien relativ bedeutungslos! Das ist jedoch ein Trugschluss…  Kein Leben ist bedeutungslos – es ist bloß mehr oder weniger weltbewegend. Durch meine Worte, egal ob geschrieben oder einfach gesagt und meine Handlungen verändere ich nicht nur mein Leben ständig sondern auch   das Leben Anderer; das kann sich positiv wie auch negativ auswirken. Wir alle leben nach dem  Gesetz von Ursache und Wirkung!

Die Halbinsel Samaná hat es mir bekanntlich schon lange angetan, denn ich schreibe darüber seit 1999. 15 Jahre im Namen von „Dornröschen“ – so nenne ich diesen Flecken Erde in Bezug auf das bekannte Märchen, bei der die verzauberte Prinzessin in ihrem Turm im Zauberschlaf liegt und nur durch einen Prinzen wachgeküsst werden kann. Ich bin zwar kein Prinz aber ich versuche es seither eben – das ist meine Passion. 

Mein Leben änderte sich im Jahr 2004 in Las Terrenas elementar und schlagartig durch (oder nach) einen fatalen Motorradunfall. Ich  lebte zu diesem Zeitpunkt bereits 4 Jahre lang „im Paradies“.  Ich war mir dessen aber irgendwie nicht mehr so richtig bewusst denn der karibische Alltag mit all seinem Für und Wieder hatte mich voll im Griff. Ursache und Wirkung eben …

Das gelebtes Leben damals war lediglich wie der Vorspann in einem Film - ich weiß nicht, ob du das verstehst! Der Vorspann ist der Teil vom Film, den man gerne überspringt, wenn man ihn schon mal gesehen hat. Man spult soweit vor, bis es zur Sache geht. 2004  fing also mein Samaná Dasein erst richtig an! Und was für ein Film das werden sollte? Das war mir damals noch nicht klar und wenn ich ehrlich bin, weiß ich es heute noch nicht. Auf jeden Fall kein Actionthriller!

Ich zog mich nach dem Crash aus meiner bisherigen Art hier  zu leben sehr zurück und beobachtete  mich selber und mein karibisches Umfeld  danach viel genauer. Ich behaupte nicht, das war ein guter Vorsatz oder ein  Lernprozess – es war einfach so.  Von da an  war es mir ein Bedürfnis mehr hinter die Kulissen zu schauen. Ende Partytime oder Katerstimmung? Ersteres sicher ja denn mein Leben sollte von da an viel spannender werden.

Die Menschen, die schon vorher täglich  um mich herum waren, bekamen einen ganz anderen Stellenwert. Ich glaubte bis dahin nämlich „ gelandet zu sein“. Das ist etwas sehr Menschliches, weil ich mich selber bis dahin als den Mittelpunkt in meinem eigenen Leben betrachtet hatte.  Durch das gewollte verrücken meiner eigenen, bisherigen Sichtweise stellte ich jedoch  fest, das ich selber für die Menschen dort eigentlich ein Fremder in ihrem eigenen Umfeld geblieben war und das ich bei ihnen zum Teil  sehr viel Unverständnis produzierte. Der sogenannte Gringo loco! Warum, ich tat vorher nichts Anderes als meine vielen Freunde vor Ort! Danach aber schon…. Ich blieb zuhaus und mied die Lieblingsbeschäftigung – das stete Clubbing! Wer was wollte, konnte auch zu mir kommen – ich lebte in einem schönen Haus im tollsten Garten mit einer Frau fest zusammen. Ich wurde sesshaft, arbeitete wenn immer möglich an verschiedenen Projekten und schrieb viel über Dornröschen!

Zurück zu meinem Bekanntenkreis! Je nach dem, um wen es dabei ging, stieß  ich auf Skepsis mir und meinem Tun gegenüber. Resident ist nicht gleich Resident! Jemand, der monatlich seinen Check wofür auch immer bekommt und nicht mehr arbeiten muss, der lebt anders als die Leute, die auch hier ihr tägliches Brot verdienen müssen. Ich hatte auch immer mehr Bekannte unter den Einheimischen und diese lebten wiederum ganz anders als die Residenten. Meine damalige Lebensgefährtin war Haitianerin und das Leben in ihrem Freundeskreis war nochmal ärmer und schwieriger als das der meisten Dominikaner und der Residenten.

Oftmals wurde die Skepsis durch die von mir lange falsch verstandene oder falsch interpretierte karibische Lebensfreude (welche hier überall herrscht) der Leute kaschiert. Es gibt sie, diese sprichwörtliche Leichtigkeit des Seins  – man muss aber sehr aufpassen. Wer gibt schon gerne zu, dass er in Wirklichkeit mausarm ist und so gut wie nichts zum Essen hat? Darum machen die Leute hier einem gern was vor. Oft ist die vorgelebte Lebensfreude nichts als eine Maske und dahinter verbirgt sich pure Not oder etwas ganz Anderes. Des Weiteren ist hier fast jeder bei allem gern dabei aber wenn etwas passiert, sind wie auf einen Schlag alle verschwunden. So nach dem Motto: „du machst das schon richtig, aber gib mir (bitte) nicht die Schuld bei (d)einer Bauchlandung!“ Bei einem Unfall gibt man gerne Gas und macht sich aus dem Staub. Das gilt auch für Zeugen… Ich kann „ein Lied davon singen“.

Las Terrenas platzte im Lauf der Zeit aus allen Nähten. Aus dem beschaulichen Fischerdorf war ein Moloch geworden- vor allem in den neu entstandenen Barrios, wo hauptsächlich arme Leute lebten. Menschen aus dem ganzen Land ließen sich nieder in der Hoffnung auf einen Job oder richtige Arbeit. Mein Freundeskreis änderte sich und es kamen mehr Dominikaner und Haitianer dazu. Meine Lebenspartnerin tat mit ihren Bekannten ihren Teil dazu. Sie warnte mich mehr als genug vor Leuten und hatte meistens recht.

Wenn also  Interesse an mir entstand, dann oftmals nur deshalb, weil viele Menschen hier von Natur aus schlicht sehr neugierig sind oder sich etwas erhofften.  Oft war es nicht mehr und nicht weniger. Das war nicht immer etwas  Schlechtes, es brachte mich aber auch nicht weiter! Andere Menschen (sehr oft Frauen) erhofften sich etwas von mir, egal ob ich in festen Händen war oder bin.

Wir ausländischen und weißen Exoten, für viele Menschen von hier sind wir das, sind wir sowas wie ein Schlüssel, um die „Türen zu öffnen“, hinter denen diese Leute ein besseres Leben vermuten. Man kann ihnen  das nicht verübeln. Wir selber fallen auf den „karibischen Bonus“ der Menschen oft genug selber herein, denn auch wir sind auf der Suche nach dem „Speziellen“. Wir suchen es jedoch hier „vor ihrer Haustüre“. Viele von den Leuten ( meist sind es Frauen) von hier wollen einfach nur weg,  um in einem vermeintlich  besseren Land ihr eigenes Glück zu machen. Ich selber wollte das jedoch nicht und ich viel somit als Schlüssel oder Sprungbrett in ein besseres Leben für sie weg. Und das verstanden sie oft nicht. Wie kann man hier auf Dauer leben wollen!

Durch das genauere Hinsehen stellte ich fest, das es nicht nur mir so ging. Praktisch alle Leute um mich herum lebten ähnlich mit und aneinander vorbei, genau  wie ich vor meinem Crash. Ich ging sogar  noch einen Schritt weiter. Nur Wenige in meinem heutigen Bekanntenkreis wagen sich so weit auf die tragenden Äste hinaus. Ich gebe zu, das ist nicht ungefährlich. Ich hatte bis jetzt Glück! Heute lebe ich selber mittendrin. Zwar seit fünf Jahren nicht mehr in Las Terrenas aber hier bei Las Galeras in Arroyo del Cabo  – mit all dem Für und Wieder und dieses Leben macht mir sehr  großen Spaß.

Ich änderte mein komplettes Leben und bekam dadurch die dafür nötige Bodenhaftung. Ich merkte, wie sich die Sicht der Menschen mir gegenüber mehr und mehr veränderte. Das war und ist eine sehr positive und schöne Erfahrung für mich! Einige Leute und Freunde  dagegen verließen bewusst oder aus der veränderten Perspektive heraus mein Leben und Freundeskreis. Reisende soll man nicht aufhalten, sagte ich mir,  denn ich setze heute andere Prioritäten. Zum Teil schmerzte mich das, aber Ich war erwacht und das geht mir bis heute so!

Heute  sehe ich neben meinem direkten Umfeld auch meine eigene, für viele Jahre aus den Augen verlorene Familie und zum Teil weit entfernt lebende Verwandte und die wenigen mir verbliebenen Freunde aus alten Tagen in einem anderen Licht.  Ich fragte zuerst mich und danach sie – bist du noch wichtig für sie? Wenn nicht, dann sollte es eben so sein! Andere Leute und das sind eigentlich mehr Menschen als je zuvor, kamen zurück in mein Leben oder sie traten neu in mein heutiges Dasein. Das war und ist eine sehr schöne und vor allem spannende Erfahrung. Dann gab es auch diejenigen, die eigentlich alles falsch verstanden hatten – das war und ist sehr schmerzhaft für alle Beteiligten. Es ist der ständige Prozess und der verlangt seinen Tribut. „Ich mache aus meinem Herz keine Mördergrube“!  Manchen Menschen erscheine ich via Internet lediglich als karibischer Exot. Das kann dann schon mal zu Trugschlüssen und Missverständnissen führen. Ich habe kein Patentrezept für falsch verstandenes Fernweh. Manche sind einfach nur urlaubsreif oder mehr und verwechseln das Leben in der Karibik mit einer Art lockerer Lebenshilfe. All denen sage ich…. Eure ureigenen Probleme werden hier nicht besser – hier kommt ihr dann erst richtig auf die Welt! hier gibt es keinen doppelten Boden. Und das kann eine harte Landung werden.

All jene Menschen jedoch, denen ich heute etwas bedeute, die sind mein elementarer Reichtum. Dabei ist es für mich egal, ob es real mir gegenüber sitzende Leute hier in der Casa de Norma sind, meine karibische Familie gehört klar dazu und auch die vielen Nachbarn, die ich heute habe. Es sind die treuen und immer mehr werdenden Online – Leser auf FB, meinen aktuellen Webseiten, die nahen (dominikanischen) oder entfernten, zum Teil  wiederentdeckten Verwandten meiner beiden Familien oder meine alten und neue Freunde aus aller Welt. Sie alle sind der bewusste und wertvolle Teil meines heutigen Daseins. 

Wer es genauer wissen will, der findet den Weg zu mir und ich hoffe, ihn dann nicht zu enttäuschen. Das liegt dann hoffentlich  weniger an mir, weil  ich keinen Hehl aus meinem Leben mehr mache,  sondern daran, wie er selber mit seinen  eigenen Leben umgeht. Die Wahrheit ist, dass sehr viele Menschen genau so unbewusst vor sich hin leben, wie ich es selber  vor meinem Schlüsselerlebnis im Jahr 2004 tat. Ich selber bin froh, das ich diese große Erfahrung am eigenen Leib und meiner Seele machen durfte. Ich will und werde darum nicht und bei niemandem für irgendetwas missionieren, denn das ist nicht meine Aufgabe. Das Zauberwort lautet selber loslassen zu können. Und das meine ich in jeder Hinsicht.

Ich habe mir selber und für meine Leute  hier etwas erschaffen. Einerseits ist es ein realer Ort und online ist es eine virtuelle Plattform. Ich gebe  damit die Möglichkeit einen „exotischen“ Zwischenhalt einzulegen. Wer hier bei uns in der „Casa de Norma“ bloß eine Art karibischen Biergarten sieht, der hat mich und die Idee falsch verstanden. Das kalte Bier wird von uns auf Wunsch sicher gerne besorgt und etwas Exotisches zum Essen gibt es hier auch… doch, deine Seele braucht kein Bier und auch keinen gebratenen Fisch – sie braucht ein Ventil…

Es sind hier bei uns die kleinen Dinge, die zählen, denn Heldentaten gibt es auch hier eher nicht. Für mich hat sich das Umdenken gelohnt und das ist mein Vermächtnis!

All den erwachten oder wachen Menschen aus nah und fern gilt mein tiefer Dank!


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