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Dienstag, 7. August 2012

Was ist Wertschätzung


Wenn man einen Archäologen nach dem Sinn seiner Arbeit fragt, der die Frage nicht falsch versteht, bekommt man sicher eine umfassende und fachliche Antwort…

Wenn man einen Historiker und Soziologen das Gleiche fragt wird er einem was über die geschichtliche Entwicklung und den heutigen Nutzen einer Sache für die Menschen erzählen…

Frag man das einen Kaufhausdetektiv, wird er ihnen, falls er sie kennt, die Maxime des Unternehmens erläutern, um sie danach mit gemischten Gefühlen stehen zu lassen. Er müsse arbeiten….

Wenn ich den Besitzer eines der alten und halbverfallenen Häuser von Sanchez frage, was eigentlich Wertschätzung sei, wird er mir wahrscheinlich sagen, das ihm leider das Geld für mehrere Camions Zementbausteine, Zement, Armierungseisen, ect fehlt. Eventuell entschuldigt er sich für den schlimmen Zustand seines alten Hauses. Aber wenn dann irgendwann das neue Haus steht, soll ich ihn auf jeden Fall wieder besuchen kommen! Koloniale Holzhäuser – so ein alter Schrott!

Historiker haben was mit in alten Büchern und in Archiven rumstöbern zu tun. Das ist die landläufige Meinung. Bauherren haben meistens klare Vorstellungen von ihren Projekten. Internationale Touristen, die z.B. langersehnt endlich Europa besuchen, lieben vor allem gut renovierte alte Schlösser, schmucke Ortschaften und historische Städte. Das wissen sie zu schätzen und bewundern diese toll renovierte Kultur. Und umgekehrt, wie läuft das hier bei uns?

Aus den bunten Katalogen der Reiseveranstalter und aus den meisten Webseiten ist der Begriff vom „karibischen und typischen Fischerdorf Las Terrenas“ langsam verbannt, wenn es dabei um das Las Terrenas von heute geht. Las Terrenas ist schließlich die touristische Metropole der Halbinsel Samana. Heute nennt man den Ort in einem Zug mit Cabarete, Boca Chica, Sosua, ect.

Historie? Dafür habe man Santo Domingo! Geballte Historie sozusagen! Der „kleine“ Samana Ort Sanchez wird stattdessen nur recht selten oder höchstens am Rande und meistens im Zusammenhang mit einer Tour nach Los Haitises erwähnt oder besucht. „The rotten Charme of Sanchez!“ Der Ort genießt somit weniger Wertschätzung, was eigentlich völlig unbegründet ist, denn es gibt fast keinen geschichtsträchtigeren Ort auf Samana. Kennen sie Sanchez? Man muss sich da hineindenken!

Samana oder Santa Barbara bemüht sich seit geraumer Zeit vehement, einen guten Eindruck bei den tausenden Tages - Gästen zu machen. Das sind vor allem die vielen Kreuzfahrttouristen, die den Ort via Landgang in der rund halbjährigen Kreuzfahrt - Saison von November bis Mai ansteuern und „kennenlernen“.

Wenn man in Santa Barbara im kulturell sehr interessanten Walmuseum nachfragt, wie viele der tausenden Tages - Touristen sich dorthin letztlich verirren, erhält man eine klare Antwort. Wenn die Buckelwale statt zu singen, sprechen könnten, würde man von ihnen wahrscheinlich auch eine klare Antwort bekommen. Ob das jedoch die professionellen und lokalen „Walflüsterer“ interessiert, steht auf einem ganz anderen Blatt. Das Gleiche gilt für die lokalen Straßenverkäufer, die einem in der kurzen Walsaison zu einer Whalewatchingtour überreden wollen. Historische Attraktionen in Santa Barbara? Heute geht man ins Taino Museum – das ist geballte Historie. So zumindest sehen das die Anbieter auf den Kreuzfahrtschiffen und die Verkäufer hier an Land und vor Ort. Samana Brücke, Englische Kirche, die Amerikaner von Samana – wen interessiert denn das?

Wenn man im Moment die Ladenbetreiber im karibisch bunten Pueblo Principe, dem neue Wahrzeichen von Santa Barbara fragt, wie es ihnen geht, dann schlagen viele von ihnen die Hände über dem Kopf zusammen, sofern sie überhaupt selber da sind. Tote Hose, nix los, keine Kunden…! Wenn´s dann aber wieder zur Sache geht und so eine riesige Aida (bekanntes Kreuzfahrtschiff) oder gleich zwei in der Bucht liegen, kann man eine ähnliche Beobachtung machen. Denn dann sind sie alle da, all die lizenzierten Verkaufsstandinhaber, die fliegenden Händler, die Taxifahrer mit Taxi und Kleinbus und praktisch alle großen und kleinen lokalen Touranbieter. Die Devise der Gäste, die da rumlaufen scheint aber zu lauten: Gucken ja… kaufen doch eher nicht…. Warum? Zu teuer, zu viel Ramsch auf einem Haufen und vor allem – die meisten verkaufen ja das Gleiche!

 Nach dem man am 10 Souvenirstand vorbeispaziert ist, hat man eigentlich alles gesehen…Und jetzt?  Ein Ami meint lapidar …. diese vielen Bilder sehen irgendwie alle gleich aus! Das gleiche stellt auch der Russe oder Österreicher fest und der ärgert sich, dass er an Bord nicht die angebotene ATV Quadtour z.B. nach El Valle gebucht hat. Oder mit dem Boot auf die Cayo Levantardo oder in den Nationalpark Los Haitises. Das meinte zumindest der nette Verkäufer im Tourbüro an Bord. Dort verkauft man die Halbinsel Samana im sieben Stunden Takt, denn solange sind die Leute hier unterwegs, bevor es weitergeht zur nächsten Insel und dem nächsten Hafen mit Landgang.

Also die Quadtour? Das sei schließlich was für richtige Kerle. Wenn´s so richtig schön trocken auf der schlechten Piste ist, regt sich der „sportliche“ Quadpilot über den wahnsinnigen Staub auf. Er vermisst eine Schutzbrille, Kopfbedeckung und einen Mundschutz.  Es sei denn, er bekommt vom Veranstalter einen Helm. Die Gattin klammert sich derweil hustend an ihn. „Vor lauter Staub sieht man ja gar nichts…“ brüllt sie ihm ins Ohr.  Sie sehen scheinbar auch nicht die Kinder am Straßenrand, die da die Hände hochhalten und Dollar, Dollar rufen. Aber das ist eine andere Geschichte und eine Unsitte der Kinder. Aber eben, viele machen es – das verstehen sie unter Tourismus. Was die Eltern dazu sagen, will ich hier nicht interpretieren.

Staub ist nicht gut fürs Geschäft! Soviel ist klar, genauso wenig wie tiefe Schlammlöcher bei Regen oder danach. Die zum Teil extrem schlechte Piste fordert ganz davon abgesehen ihren Tribut. Das wissen die Vermieter! Aber das ist ATV. Die Tour war eigentlich „für den Arsch!“ Das meint so mancher Kreuzfahrtgast am Abend; wieder zurück an Bord seines Traumschiffes. So resümiert er nach der reinigenden Dusche an der Bordbar zum Thema persönliche Wertschätzung. Historische Bauten habe er eigentlich überhaupt nicht gesehen, dafür aber viele bunte und gemalte Bilder, die alle irgendwie vom selben Maler stammen müssen. Eine Menge bettelnde Kids am Wegrand seien vor allem seiner Frau aufgefallen und durch den Staub hatte er dafür ständig den Hintern der Frau des ihm vorausfahrenden Mitreisenden im Blick. Man kann sich schließlich nicht alles aussuchen, denkt er bei sich! Ach ja, viel Natur – so schön grün war’s dort und die Playa von El Valle war wirklich sehr schön, noch so völlig unverbaut. „Wie lange das noch so sein wird?“ wirft seine Frau fragend ein… sehr gute Frage, gnädige Frau!

Der versierte Barmann bereitet bereits die nächste Runde für „seine“ Gäste vor. Sie sitzen jeden Abend zur gleichen Zeit hier an der Deck - Bar und die Frau des Amerikaners meint versöhnlich, „Jonny – ohne sie und ihre leckeren Drinks wäre diese Kreuzfahrt eigentlich nur halb so schön!“ Die anderen stimmen ihr begeistert zu und Barmann Jonny, der eigentlich Juan - Manuel heißt, freut sich wie jeden Abend auf das fette Trinkgeld nach dem gemütlichen Gelage. Er stammt aus der Dominikanischen Republik und lebt schon lange in Miami. An Bord steigt er in Fort Lauderdale, dem Ausgangshafen der meisten Kreuzfahrtschiffe in der Karibik. Er bedient am liebsten Amerikaner und Kanadier an seiner Bar – Europäer gäben so gut wie kein Trinkgeld. Die wüssten seine Arbeit anscheinend nicht richtig zu schätzen…All Inklusive heißt das zwar, aber Amerikaner wüssten schließlich, was sich gehört.  Das ist für ihn Wertschätzung!

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