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Freitag, 9. März 2012

Zeitweilige Sprachlosigkeit


Ich bin seit mehreren Wochen praktisch sprachlos – online wohlgemerkt. Es sind vor Ort zu viele Dinge vorgefallen, die mir im Moment zu denken geben. Ich muss mit mir selber wieder klar kommen. Ich muss meine Ideen und Ziele neu überdenken und mir darüber klar werden, was Sinn macht und was nicht! Und es geht um „La Casa de Norma“! Unser Engagement, der gute Wille und Einsatz bei der Realisation bis zum Umfallen; all das steht auf dem einen Blatt. Auf dem anderen steht ein Wort, das man als Wertschätzung bezeichnen könnte.

Gestartet haben wir unser Projekt im November 2011 mit sehr viel Elan. Bereits vorher waren wir auch online präsent und man konnte praktisch life mitverfolgen, die das Projekt gewachsen ist. Die Online - Anteilname war all die Zeit sehr groß. Eine meiner derzeitigen Überlegungen ist darum praktisch mehr eine Frage. Wie weit deckt sich das Onlinegeschehen mit der Realität vor Ort. Unsere Webseite wurde sehr fleißig besucht – dank Facebook stehen wir mit sehr vielem Menschen aus aller Welt in zum Teil regem Kontakt. Das ist die eine Seite. Die andere Seite - trotz all der Kontakte, der Willensbekundungen, der Gratulationen, Kommentare, ect sind wir real praktisch alleine.

Menschen in Urlaubsvorfreude zählen praktisch die Tage und verkünden das heute gerne online. Wenn sie dann hier sind, sieht es etwas anders aus. Man könnte meinen, das ihnen hier dauernd was dazwischen kommt und letztlich kommen sie teilweise gar nicht. Man bedenke, zwischen Europa und der dominikanischen Republik liegen 10 Flugstunden und einige tausend Kilometer. Zwischen unserem großen Hotel vor Ort und der Casa de Norma liegen lediglich 4,5 km oder 1,5 Stunden reinem Fußweg. Mit einem Fahrzeug dauert die Fahrt zu uns maximal 15 Minuten. Aber anscheinend sind diese realen 4,5 km so was wie eine fast nicht überwindbare Hürde. Man beachte, wir liegen bekanntlich nicht an der  lauten Hauptstrasse, auch an keinem Traumstrand vor Ort und auch nicht im „touristischen Zentrum“. Somit sind wir anscheinend für die Meisten so etwas wie out of Space!

Meine Überlegung für das Projekt war und ist es, den Menschen aus Übersee das wahre dominikanische Leben zu zeigen und sie als Gäste zu empfangen. Denn genau da sind wir und zwar mittendrin, im dominikanischen Leben ohne doppelten Boden! La Casa de Norma liegt zwar an einer touristisch stark frequentierten Strasse – der Strasse an die Playa Rincon. Das einzige was wir Tag für Tag davon mitbekommen ist der touristische Durchgangsverkehr. Wir liegen am Weg, aber sind nicht das Ziel. Uns geht derweil die Luft aus, während wohl gelaunte Touristenexkursionen mehrmals am Tag an uns vorbeiziehen. Das ist die Realität.

Wir sind nach wie vor sehr unscheinbar, gar nicht plakativ und wollen das auch nicht sein. La Casa de Norma ist kein Touristenlokal sondern eine Art Institution, ein Ort der Begegnung oder ein Ort, wo Welten aufeinander treffen. Ein mittlerweile gepflegtes Grundstück, ein angelegter, tropischer Nutz - Garten, Tische und Bänke, eine original dominikanische Küche und sehr viel Einblick in das every Day Life laden hier bei uns zum Verweilen ein. Eine gemütliche Raststelle, ein Ort zum Verweilen, abseits des normalen Trubels.

Aber anscheinend ist es nicht das, was diese Leute interessiert. Für sie ist diese Strasse lediglich eine Sightseeingstrecke zur Playa Rincon. Es ist wie im Kino zu sitzen und den Film Revue passieren lassen. Der Unterschied ist, das man im Kino in der Regel keine Videokamera dabei hat, um sich den Film später gemütlich zuhause anzusehen – obwohl das bekanntlich auch viel gemacht wird.

Etwas anderes ist die Erwartung? Denn wir bieten auch etwas Konkretes! Wir kochen dominikanisch oder kreolisch. Das macht außer uns weit und breit niemand – es sei denn, man verwechselt die Garküchen entlang der Strasse mit dominikanischer Küche. Bedeutet das, dass wir hier lowprice kochen? Nein, das bedeutet, dass wir ausschließlich mit lokalen Produkten arbeiten, alles vor Ort einkaufen und vor allem, das alles absolut frisch gekocht wird. Alles was sie heute essen, ist nicht industriell vorbearbeitet oder gekocht, kommt nicht aus einem Beutel und macht uns entsprechend viel Arbeit. Das Einkaufen und Besorgen, vorbereiten und kochen. Das gilt für alles, was sie bei uns bekommen. Wir verwenden zum kochen weder Mikrowelle, keine Elektrogeräte (außer unserem PC um mit ihnen zu kommunizieren), wir kochen auf Holz oder Kohle und nur ausnahmsweise auf Gas. Der Fisch kommt aus einer Fischhandlung, rund 1,5 Kilometer entfernt ist absolut frisch und wird dort kurz vor der Zubereitung für sie geholt. Wir fischen nicht selber, sondern kochen für unsere Gäste das was wir dort bekommen. Dabei achten wir penibel auf die Qualität.

Eine dominikanische Eigenheit ist, das so gut wie alle Produkte aus bestimmten Gegenden kommen. Das gilt vor allem für Gemüse, Obst und Früchte. Denn es ist ganz und gar nicht so, dass hier alles überall wächst – obwohl wir in den Tropen sind. Eine weitere Eigenheit ist, das obwohl wir praktisch direkt am Meer leben, jeder Fisch teurer ist als Fleisch. Der nächste europäisch sortierte und entsprechend teure Supermarkt befindet sich in Las Terrenas – also rund 70 km entfernt. Wir sind somit auf den lokalen Schlachter, die lokale Fischhandlung, einen fahrenden Händler für Seafood, die lokale Käserei und die Geschäfte und Lieferanten vor Ort angewiesen.

Las Galeras befindet sich bekanntlich trotz guter Anschlüsse am Ende der Halbinsel Samana. Transportkosten sind nicht nur für den Transport unserer Gäste hoch, das gilt für jedes Produkt, egal, was das ist. Wegen seiner Lage gibt es hier längst nicht alles und die Logistik ist somit ein sehr entscheidender Faktor bei der Preisgestaltung.  Das schlägt sich auf alles nieder und wir haben hier nicht nur astronomische Treibstoffpreise zu bezahlen. Denn zur Information, in Las Galeras gibt es kein reguläre Tankstelle. Wir haben eine Gasstation – eine Goldgrube für den Betreiber. Eine Einkaufstour nach Santa Barbara – unsere Provinzhauptstadt ist darum eine Halbtagestour mit dem öffentlichen Verkehrsmittel, nach Las Terrenas sind wir mindestens drei Stunden unterwegs pro Weg. Das ganze mit einer Kühlbox, ect. Je nach Bestellung machen wir diese Tour für sie und müssen diese Kosten auf unsere Preise umschlagen. Oder wir produzieren selber – so wie unser Brot und alle Backwaren. Ein weiterer Punkt sind enorme Energiekosten – wir bezahlen in Las Galeras 15,50 Pesos pro kwh. Damit erklärt sich zum Beispiel der Preis für ein eisgekühltes Bier, Coca Cola, ect. Oder man kühlt alternativ und arbeitet mit Kühlboxen, sprich man produziert selber Eis, um alles frisch und gut gekühlt zu halten.

All das ist zu bedenken. Und das macht einem manchmal sprachlos.

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