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Freitag, 16. März 2012

Hurra – sie leben noch!


Nach meiner vorübergehenden Sprachlosigkeit wegen all der Dinge, die uns hier dauernd das Leben schwer machen, heute diese neuen Fotos. Wie kann man sie interpretieren? Nach dem Motto hurra, sie leben noch? Oder alles geht seinen gewohnten Gang! Oder das normale Leben hält uns in Atem! Oder die Macht der kleinen Schritte - poco a poco…

Es geht uns nicht besser oder schlechter! Wir schlagen uns nach wie vor durch und das wird auch so bleiben. Unter den gegebenen Voraussetzungen ist das Leben nicht irgendwo „over the Rainbow!“ Das karibische Leben hat absolut keinen Sonderstatus, auch wenn unsere Besucher, in dem Moment, wenn sie hier sind, meist in verdienter Urlaubslaune schwelgen, weil sie genau dann ihrem eigenen Alltag für ein paar Tage entkommen sind. Alleine diese Tatsache sorgt oft für Missverständnisse.

Urlaub - bezaht oder zusammen gespart! Wie oft hat ein normaler Dominikaner diese Möglichkeit? Und wenn er sie hat, was tut er dann? Er kann sich nicht wie sie, werter Leser, in einen Ferienflieger setzen, um selbst gewählt, was Neues zu erfahren. Er tut somit, was er kann! Er fährt zum Beispiel über Ostern von Puerto Plata mit seinem alten Moped nach Las Galeras, um dort seiner Mutter einen Besuch abzustatten. Alleine das bedingt Logistik, genug Geld für Benzin und Unvorhergesehenes und hat eigentlich nichts Erholsames an sich! Aber diese drei oder vier Tage bei seiner mutter genießt er, hilft seiner Mum wo er kann und bringt ihr auch noch ein Geschenk mit. Für Europäer fast nicht mehr nachvollziehbar – ein komplettes Set neuer Bettwäsche oder einen großen Kochtopf, um darin einen angemessenen Oster - Sancocho zu kochen! Haben sie ihrer Mutter auch schon mal sowas gekauft  - was Praktisches für den Haushalt! Wahrscheinlich hat ihre Mutter mehr Kochtöpfe als sie selber, weil sie tatsächlich noch selber regelmässig kocht!

Für den Dominikaner ist das jedoch etwas, was er sich am Mund abgespart hat. Seine Mum weiß das darum sehr zu schätzen! Der Topf hat 900 Pesos gekostet! Hier landen solche Töpfe in der Pfandleihe, wenn plötzlich eine dringende Zahlung ansteht, wie so viele Dinge dauern hin und herwandern. Um ihn dann wieder zubekommen, fliesst ebenfalls Geld – für sie wahrscheinlich lächerliche Beträge wie 200 Pesos oder 4 Euro, aber hier mehr als ein Tageseinkommen.

Warum ich das schreibe? Um dem Leser die Verhältnisse zu veranschaulichen. Es sind manchmal für die Leser schlecht nachvollziehbare Dinge, die die Menschen hier aus der Bahn werfen und für ernsthafte Probleme sorgen. Und es sind andererseits meistens kleine Dinge, die den Menschen hier eine Freude bereiten. Denn die grossen Momente sind sehr rar.Das bedeutet nicht, das Leben hier als für ihre Verhältnisse als Schnäppchen zu betrachten. Die Dominikanische Republik galt lange als Billigreiseland und wurde viele Jahre von den entsprechenden Leuten bereist und beackert. Da entstand das Wort DOMREP - heute fast ein Schimpfwort. Denn das hat sich schon lange geändert – die dominikanische Republik ist heute verhältnismäßig teuer, wenn man sie zum Beispiel mit Asien vergleicht.

Aber auch die einfachen Leute hier bezahlen diese hohen Preise und haben darum extrem hohe Lebenshaltungskosten. Hier  nennt man das Progresso oder Aufschwung. Ich fragte mich früher sehr oft, wie die einfachen Menschen  das schaffen. Mein neues Leben zusammen mit meiner Lebenspartnerin Norma führt mir das Tag für Tag vor Augen. Und mehr und mehr verstehe ich deren Sichtweise und das macht mich derzeit sehr oft sehr betroffen – obwohl ich schon so lang hier lebe.

Darum kann ich sehr oft mit den guten Ratschläge alter Freunde absolut nichts mehr anfangen, weil sie für mich völlig abstrakt sind und nicht in dieses örtliche Weltbild passen. Sicherlich sind das gut gemeinte Vorschläge, aber völlig unbrauchbar. Das mindert nicht die Freundschaft – aber wegen der räumlichen Trennung trotz moderner Kommunikationsmittel ändert das nichts an den Tatsachen. Wenn ich dann von diesen Menschen manchmal als etwas schräg oder verschroben angesehen werde, hat das genau damit zu tun. Denn ich tauche immer mehr in dieses hier echte Leben ab und das hat nichts mit einem Touristenklischee zu tun. Ich bin kein moderner Robinson Crusoe sondern jemand, der das Leben relativ kompromisslos lebt.

Was bedeutet das im Zusammenhang mit unserem Projekt? Das jede Neuerung oder Verbesserung, die mit finanziellen Ausgaben verbunden ist, eine Art Spagat bedeutet – was ist wichtiger – diese Investition oder das tägliche Leben! Oder auf was muss man darum verzichten! Eine tolle plakative Beschriftung oder Außenwerbung oder 5 Tage Lebenshaltung für 5 Personen?  Das abklappern von diversen Tourveranstaltern vor Ort und auf Samana oder im Land, um so was wie eine Zusammenarbeit zu vereinbaren, die Preisabsprachen und Kommissionen mit sich bringen oder konsequentes Onlinemarketing. Wo ist der Mittelweg und was ist verkraftbar –was ist machbar und mit welchem Aufwand. Aufwand bedeutet hier Geld.

Wer das richtig erkennt, für den kann eine echte Unterhaltung mit uns als Gast vor Ort sehr spannend sein. Andere sollten lieber Klinik unter Palmen schauen… Und Gäste, die den Zusammenhang nicht sehen und einfach nur „billig“ weil dominikanisch bei uns essen wollen, sind in einem normalen Comedor sehr gut aufgehoben. Und Wiener Schnitzel, bayrische Schmankerln unter Palmen machen da Sinn, wo eine Nachfrage besteht.  Siehe Las Terrenas mit seiner deutschsprachigen Gemeinde. Las Galeras ist nach wie vor sehr dominikanisch! Mit allen Für und Wieder! Wer das mag, ist hier bestens aufgehoben.

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